Drei Monate am anderen Ende der Welt

Hannah-Sophie Ruf aus Nördlingen berichtet von Ihrem Austausch nach Chile.

Ein unbekannter Ort in einem Land, in dem du noch nie gewesen bist, mit einer Sprache, die du nicht sprichst. Du lässt alles zurück, was du kennst und ziehst in diese fremde Welt los. Diese Welt war in meinem Fall Chile. So beginnt der Erlebnisbericht von Hannah-Sophie Ruf aus Nördlingen, die im Sommer 2019 zum dreimonatigen Gegenbesuch im chilenischen Valdivia war. Sie gibt uns nachfolgend einen kleinen Einblick in all das, was sie in diesen drei Monaten am anderen Ende der Welt erlebt hat.

Im Juni 2019 verabschiedete ich mich schweren Herzens von meinen Lieben in Deutschland und begann mit vielen anderen diese gigantische Reise, die mich ins Ungewisse führte. Als ich mich vor einem Jahr dazu entschied, eine Austauschschülerin aus Chile aufzunehmen, hatte ich keine Ahnung, was mich erwartet. Auf jeden Fall hatte ich nicht damit gerechnet, ein halbes Jahr später ans andere Ende der Welt zu fliegen.

Meine Gastfamilie
Ich weiß noch genau, wie ich mich gefühlt habe, als ich aus dem Flugzeug stieg. Ich war ein bisschen nervös, aber auch aufgeregt. Aufgeregt, weil ich meine Austauschpartnerin nach vier Monaten wiedersehen und nun endlich ihre Familie kennenlernen würde und nervös, weil ichkaum ein Wort spanisch sprechen konnte. Am Anfang war es ein bisschen komisch für mich zu wissen, dass ich nun drei Monate in dieser mir fremden Familie leben würde. Aber das hat sich schnell geändert, ich verstehe mich super mit meiner Gastfamilie. Diese besteht aus den Gasteltern, Gastbruder, meinen beiden Gastschwestern, zwei Hunden und einer Katze. Wir haben so vieleSachen zusammen erlebt, sind in andere Städte und an den Strand gefahren, haben zusammen gebacken und gekocht, waren im Kino, auf Partys oder einfach nur zuhause, bei Freunden oder haben die Familie besucht. Außerdem hat mir meine Gastfamilie
unglaublich viel geholfen, mich in Chile einzugewöhnen und die Sprache zu lernen.

Meine Schule
Ich ging auf eine Deutsche Schule in Valdivia. Hier lernt man schon im Kindergarten Deutsch und das geht bis in die Oberstufe. Das Besondere an dieser Schule ist auch, dass man ab der 9. Klasse einen „besonderen“ Zweig wählen kann, in dem man auch andere Fächer, neben Deutsch natürlich, auf Deutsch hat, die von deutschen Lehrern unterrichtet werden. Ich besuchte mit meiner Gastschwester die 11. Klasse in diesem Zweig. Auch wenn „Schule“ in Chile deutlich
gelassener als in Deutschland genommen wird, gibt es einige Dinge, die mich wirklich sehr beeindruckt haben. Was mir als erstes aufgefallen ist, war das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer. Man behandelt sich schlichtweg wie
Freunde, trotzdem fehlt der Respekt nicht. Etwas, was in Deutschland nie vorstellbar wäre. Zudem wird hier die moderne Technik viel mehr genutzt als in Deutschland. So ist es total normal, jeden Tag seinen Laptop mitzubringen und daran zu arbeiten. Außerdem wird vor allem das individuelle und selbstständige Arbeiten, wie an der Uni, gefördert. So haben viele Klassen oft eine Autonome-Woche, in der sie hauptsächlich alleine am Computer arbeiten. Was ebenfalls total normal zu sein scheint, ist, dass meist zwei Lehrer den Unterricht machen und es keine Abfragen und Hausaufgaben gibt. Dafür müssen die Schüler oft noch nach Schulschluss, der meist erst um 17 Uhr ist, in der Schule bleiben, um Untersuchungen oder Experimente durchzuführen, über die sie dann einen Bericht oder Essay schreiben müssen. Vom Unterricht habe ich meist nicht so viel verstanden, außer ich kannte das Thema oder der Unterricht war auf Deutsch. An meiner Schule gab es noch viele andere Dinge, die sich von einer Schule in Deutschland unterscheiden. So beispielsweise die „Alianza“. Das ist ein Tag, an dem die Schüler keinen Unterricht haben und die Lehrer für die Schüler eine kleine „Show“ inszenieren. Anschließend daran veranstaltet die 12. Klasse einen kleinen Wettbewerb zwischen den Jahrgangsstufen 7–11, wobei jede Stufe ein anderes Thema hat. Zu diesem
müssen sie ein Plakat malen, einen Tanz einstudieren und einen Film erstellen. Hierbei werden Punkte verteilt und am Ende gibt es einen Gewinner. Die „Alianza“ gibt es zwei Mal im Jahr.

Typisch chilenisch
Zu Beginn meines Aufenthalts wusste ich nicht, für was „Chilenen sind Cariñosos“ steht. Inzwischen weiß ich, was es bedeutet. Es steht für Herzlichkeit, Zärtlichkeit und Zuneigung. Bei jeder Gelegenheit wird sich unter Bekannten ein Küsschen auf die
Backe gegeben und man wird auch schnell mal von Wildfremden als „mi amor“ (meine Liebe) bezeichnet.
Natürlich habe ich auch etwas von den typisch chilenischen Gerichten probiert. So beispielsweise „Completos, Empanadas und Sopaipillas“. Bei „Completos“ handelt es sich um eine Hot Dog Variante, die in der Regel mit Zutaten wie gehackten Tomaten, Avocados, Mayonnaise, Sauerkraut einer Variation der amerikanischen Saucen, chilenischer Chili, grüner Soße und Käse serviert wird. Er kann auch doppelt so groß sein wie ein amerikanischer Hot Dog. Die „Empanadas“ sind ein gebratenes Gebäck mit Füllung. Der Teig wird gefaltet und dann mit Fleisch, Käse, Mais oder anderen Zutaten gefüllt. Zuletzt noch die „Sopaipillas“. Diese sind eine Art gebratenes Gebäck und eine Art Schnellbrot. Sie werden traditionell aus gesäuertem Weizenteig hergestellt, dem etwas Butter zugesetzt wird und dann in kreisförmige, quadratische oder dreieckige Formen geschnitten. Diese werden in Öl frittiert und man kann sie anschließend mit verschiedenen Aufstrichen genießen. Ein typisches Getränk für die Chilenen ist „Pisco“ und natürlich Wein.

Herzliche und fröhliche Menschen
Chile ist wirklich ein großartiges Land. Natürlich merkt man, dass es ein „Schwellenland“ ist. Umso mehr begeistert mich die Mentalität und Einstellung der Chilenen. Sie sind offene, herzliche und fröhliche Menschen. Egal, ob man sich kennt oder nicht, man begrüßt sich herzlich, wodurch
man sich wirklich immer unglaublich wohlfühlt. Außerdem sind sie „gefühlt“ immer am Feiern und nutzen jede Gelegenheit, um mit der Familie oder den Freunden zusammenzukommen.