Fünf Wochen in Argentinien

Jennifer Häusler aus Neulußheim berichtet von Ihren Erfahrungen beim Gegenaustauch in Argentinien im Sommer 2018.

Hola! Mein Name ist Jennifer Häusler, ich bin 18 Jahre alt und habe im Sommer 2018 mit Schwaben International etwas über fünf Wochen in Argentinien verbracht. Wobei man hier besser sagen sollte: Im deutschen Sommer. Im Juli und August, während Europa eine Hitzewelle überrollt hat, war in Argentinien nämlich Winter. Nun denkt man vielleicht, der argentinische Winter ist doch bestimmt schön mild; schließlich assoziiert man mit spanischsprachigen Ländern meist Sommer, Sonne und Strand – dem ist leider nicht so. Auch wenn es in der Provinz Buenos Aires, wo ich war, nicht schneit, so hat es doch meist knapp unter 10 Grad gehabt.

Aber von Anfang an: Nachdem ich im Sommer 2017 für 10 Tage eine Gastschülerin aus Argentinien aufgenommen habe, bot Schwaben International für 2018 erstmals einen Gegenbesuch an. Nach meinem Abitur wollte ich für einige Zeit ins Ausland, jedoch noch kein ganzes Jahr und so war der Zeitraum perfekt, um vor meinem Studium in einen längeren Auslandsaufenthalt „hineinzuschnuppern“. Die Familie meiner Gastschülerin stimmte zu, mich aufzunehmen, und so blickte ich freudig der Reise entgegen.

Zur Zeit meiner Ankunft Mitte Juli waren gerade Winterferien in Argentinien, während denen meine Austauschpartnerin Martina auf Abschlussfahrt in Bariloche, einem Ort im Süden des Landes, war. Dennoch wurde mir nicht langweilig: Neben Martina hatte meine Gastfamilie noch zwei weitere Töchter, zehn und dreizehn Jahre alt, außerdem hatten sie noch zwei Hunde. Sie wohnen in Quilmes, einem „Vorort“ von Buenos Aires-Stadt mit ca. 300.000 Einwohnern. Von dort sind es mit dem Auto 20-30 Minuten ins Stadtzentrum von Buenos Aires, wohin wir mehrere Ausflüge unternommen haben.

Während der Ferienzeit hatte Schwaben International zwei Ausflüge für uns Austauschschüler organisiert. Unsere Guides, die Geschwister Adrian und Nicole Heynen, sprachen sowohl Deutsch als auch Spanisch fließend, da sie in Buenos Aires aufgewachsen sind, ihre Eltern aber aus Deutschland stammen. Der erste Ausflug führte uns ins Tigre Delta etwa eine halbe Stunde nördlich von der Stadt. Mit einem Boot fuhren wir zu Adrians Häuschen an einem Flussarm, wo wir trotz kleiner Zwischenpanne trocken ankamen. Dort grillten wir, unternahmen einen kleinen Spaziergang und nutzten die Chance, ein bisschen mit Kanus in dem ruhigen Fluss zu paddeln.

Der zweite Ausflug war eine Stadtrundfahrt durch Buenos Aires, bei der wir einiges über die Geschichte und die Sehenswürdigkeiten der Stadt erfahren haben und an verschiedenen Orten aus unserem Van ausgestiegen sind, um uns näher umzugucken. Buenos Aires ist eine äußerst vielfältige und beeindruckende Stadt. Es besteht aus insgesamt 48 Vierteln, die in ihrem Charakter vom traditionellen San Telmo bis zum modernen Puerto Madero mit seinen Hochhäusern reichen. Besonders gut hat mir Recoleta gefallen, das mit französischer Architektur aufwartet. Im Zentrum befindet sich eine große Grünanlage, an dessen Rand ein Kulturzentrum, eine Kirche und der berühmte Friedhof sind, auf dem u.a. Evita ihre letzte Ruhestätte gefunden hat.

In den meisten Vierteln finden am Wochenende zahlreiche ferias statt, Kunsthandwerkermärkte, auf denen man auf der Suche nach schönen Souvenirs schnell fündig wird. Darüber hinaus kommen auch Bücherwürmer auf ihre Kosten: Buenos Aires besitzt die größte Dichte an Buchhandlungen auf der ganzen Welt, die berühmteste und eindrucksvollste darunter zweifellos das Ateneo Grand Splendid, das in einem ehemaligen Theater eingerichtet ist und auf dessen Bühne sich ein Café befindet. Wer etwas Erholung abseits des Großstadtrummels sucht, der sollte die Reserva Ecológica besuchen, in der man an einem Sumpfgebiet mit den Wolkenkratzern von Puerto Madero im Hintergrund und am Río Grande entlang schön spazieren gehen kann.

Ende Juli waren die Ferien zu Ende und ich besuchte mit Martina die Deutsche Schule E. L. Holmberg in Quilmes. Unterricht war immer von 7:40 Uhr bis 15:45 Uhr, mit zwei Pausen am Vormittag und einer Mittagspause, in der man sich entweder sein von Zuhause mitgebrachtes Essen in einer der Mikrowellen aufwärmen oder auch etwas in der Cafeteria essen konnte. Zweimal in der Woche hatten wir nachmittags Sport, wo wir dann noch etwas später aus hatten, freitags war der Nachmittag frei. In der Schule wählt man ab der 4. Klasse der Secundaria (das entspricht der deutschen 10. Klasse) ein naturwissenschaftliches oder gesellschaftswissenschaftliches Profil mit entsprechenden Fächern. Martina war leider in dem naturwissenschaftlichen Profil, was nicht so meinen Interessen entsprach. Ab der zweiten Woche besuchte ich deshalb immer mal wieder Unterrichtsstunden in der Parallelklasse mit dem gesellschaftswissenschaftlichen Profil. Diese Anpassung des Stundenplans an meine Interessen war ohne Probleme möglich und würde ich auch jedem raten, der ausreichende Spanischkenntnisse hat, um allgemein dem Unterricht zu folgen. Sonst sollte man viel Lesestoff oder Ähnliches mitnehmen, um sich anderweitig leise beschäftigen zu können, da es ohne Beschäftigung recht schnell langweilig wird – vor allem wenn man bedenkt, dass die Unterrichtsstunden eine ganze Zeitstunde lang gehen. Die Lehrer freuen sich aber immer, wenn man sich am Unterricht beteiligt. Die Stimmung im Unterricht habe ich als recht locker empfunden, was bestimmt auch daran liegt, dass die Lehrer geduzt werden. Außerdem muss man sich nicht melden, wenn man etwas sagen will, was für mich anfangs etwas gewöhnungsbedürftig war.

Am Nachmittag verbrachte ich die Zeit meist Zuhause, spielte mit meinen Gastschwestern Karten oder schaute Serien und Filme auf Netflix. Da ich in Deutschland schon lange Hip-Hop tanze, hat es mich sehr gefreut, dass eine Klassenkameradin dort dies auch macht und ich sie mehrmals begleiten konnte.

Neben gemeinsamen Ausflügen in die capital nahm mich meine Gastfamilie auf zahlreiche Treffen mit Freunden mit. Diese sind sehr wichtig in der argentinischen Kultur: Während ich da war, feierten wir verschiedene Geburtstage, den Día del Amigo (Tag des Freundes) und den Día del Niño (Tag des Kindes). Wenn es mal nichts zu feiern gibt, dann trifft man sich auch einfach so zum Essen und unterhält sich bis spät in die Nacht.

Apropos Essen: Als Vegetarierin im Steak-Land Argentinien stellte ich mich im Voraus darauf ein, zur Not nur Beilagen zu essen. Dies war allerdings völlig unnötig, denn auch für Nicht-Fleischesser bietet die typische Küche einiges Leckeres: Pizza mit seehr viel Käse, Empanadas (Teigtaschen) mit Spinat-, Mais-, Kürbis- oder Käsefüllung oder Gemüsetarte (tarta) – gegen Ende meines Aufenthalts scherzten meine Gastmutter, Martina und ich darüber, dass ich zurück in Deutschland nie wieder tarta de verdura, Spinattarte, essen werde, da ich es dort so oft gegessen habe. Sie hat mir aber bis zum Ende sehr gut geschmeckt! Abgesehen von diesen typischen Gerichten hatte ich auch sehr viel dem Einfallsreichtum und der Kreativität meiner Gastmutter zu verdanken, die für mich verschiedenste Dinge noch extra gekocht hat. Beim asado, dem typischen Grillen, grillte mein Gastvater Gemüse statt Fleisch für mich. Naschkatzen kommen auch auf keinen Fall zu kurz: Da man in Argentinien erst frühestens um 21 Uhr zu Abend isst, gibt es noch eine feste Mahlzeit zwischen Mittag- und Abendessen (das beides warme Mahlzeiten sind): Die merienda. Hier trinkt man Mate, ein starkes Aufgussgetränk aus Blättern des Mate-Baums, oder einen submarino, heiße Milch mit einem Riegel Schokolade darin aufgelöst. Dazu isst man Pfannkuchen, Kuchen oder Croissants, die medialunas (Halbmonde) genannt werden. Nicht fehlen darf Dulce de Leche, eine karamellartige Creme aus Milch ­– himmlisch!

Allgemein sind die Argentinier sehr herzlich und aufgeschlossen. Ich habe in den fünfeinhalb Wochen meines Aufenthalts so viele neue Leute kennengelernt, es war wirklich schwer, sich alle Namen zu merken! Immer fühlte ich mich von allen herzlich aufgenommen und man kam schnell ins Gespräch, über das Essen, die argentinische und deutsche Kultur, die Sprachen, Politik, Filme, … Heimweh kam dank dieser Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit kaum auf, alle halfen mir, mich schnell wohl und wie Zuhause zu fühlen.

Die Zeit mit meiner Gastfamilie verging so schnell und zum Zeitpunkt meiner Abreise freute ich mich natürlich auf das Wiedersehen mit meiner „richtigen“ Familie, wäre aber nur zu gerne noch länger geblieben. Ich habe die argentinische Kultur in diesen Wochen kennen- und lieben gelernt und auch etwas den argentinischen Dialekt übernommen (worüber sich die anderen sehr erfreut zeigten). Jedem, der gerne Spanisch spricht und Lust auf das Kennenlernen einer neuen Kultur hat, aber vielleicht noch nicht die Zeit oder den Mut für ein halbes oder ganzes Jahr im Ausland hat, kann ich den Schüleraustausch nur empfehlen. Man kann sicher sein, dass man mit vielen neuen Eindrücken, Erfahrungen und Freunden nach Deutschland zurückkehrt!