Im ehemaligen Land der Burgen und Ritter…

Der etwas andere Bericht der Familie Ferreira Schmidt über die spannenden 2 1/2 Wochen ihres Gastschülers Gustavo aus Rio de Janeiro/ Brasilien im Sommer 2012.

„Burgen“ wird das Standardwort von Gustavo in den nächsten Tagen sein, wenn er gefragt wird, was er gerne während seines Gastschüleraufenthaltes vom 5. bis 21. Juli 2012 sehen möchte und schwärmt dabei von seiner Rittersammlung zu Hause in Rio de Janeiro.
Volltreffer, wohnen wir doch an der Burgenstraße in unmittelbarer Nähe der Stauferpfalz Wimpfen, der größten erhaltenen Kaiserpfalz nördlich der Alpen. Was Gustavo nicht weis, als Stauffenritter und Edelfrau wirken seine Gasteltern im Zunftverein Bad Wimpfen mit. So wird Gustavo zum Freiherr von Rio aus dem Hause Castello Branco dos Santos ausgerufen und im Königssalon einquartiert. Hier erwartet ihn nebst Rüstzeug, Schwert, Helm und Gewand sein Nachtlager.

Burg Guttenberg ist die erste Burg, die er kennenlernt. Sie wurde zur Stauferzeit zur Sicherung der Kaiserpfalz errichtet. Nachdem Gustavo sich voreilig in die Burg geschlichen hat, um eine Edeljungfer zu entführen, wird er am Schandpfahl festgesetzt und muss die Schmach des gemeinen Volkes über sich ergehen lassen. Nach seiner Befreiung erwarten Gustavo die historischen Wehr- und Zwingeranlagen der Burg. Als weiteres Highlight erwartet ihn die Deutsche Greifenwarte mit Uhus, Adlern und Geiern im freien Flug, bevor er zur Kaiserpfalz in Wimpfen geführt wird. Kein Turm ist ihm zu hoch und so wird er im blauen Turm in 53 m Höhe von Blanca Knodel, der einzigen Türmerin bundesweit, im Turmkerker eingesperrt um ihm für seinen Aufstieg einen Batzen Wegzoll abzunehmen. Durch das Burgviertel mit den Arkarden der Kaiserpfalz geleiten wir Gustavo an den alten Fachwerkhäusern vorbei zur Maultaschenprobe in Dobel. Altkochendorf mit Greckenburg, das ehemalige Wasserschloss Lehen und die Zollfeste Heuchlingen runden die Besichtigung seiner neuen Besitzungen ab.

Seine ritterliche Tugenden der Neuzeit muss Freiherr Gustavo anschließend im hiesigen Gymnasium Friedrich-von-Alberti beweisen, in das er durch Edeljungfer Baronessa Leticia eingeführt wird. Statt mit dem edlen Ross reitet er mit einem Stahlesel durch den Stadtwald hin und statt üppiger Festbankette tischt dort die Mensa deftige Schwabenkost auf. Von den Knappen und Jungfern der Klasse wird der edle Geselle schnell integriert und zu allerlei Kurzweil gebeten.

Speis und Trank, insbesondere das schwäbische Vesper, sind für Gustavo ein völlig neues Erlebnis. Es heißt „zugreifen“, zünftig wie in der ritterlichen Zeit und Schinken – geraucht aus dem Schwarzwald oder gekocht – Würste oder Luftgetrocknetes munden ihm vorzüglich. Zum Frühstück kommen Brezeln gut an, die ungewohnten Vollkornbrötchen nur als letzte Versuchung mit einer großen Portion Nutella. Damit taucht Gustavo in sein allmorgendliches Nutella-Paradies ein, von dem natürlich ein Glas als Mitbringsel in den Reisekoffer wandert.

Neben dem Besuch weiterer Burgen, darunter auch die Götzenburg Hornberg hoch über dem Neckar und dem Schloss Heidelberg, gehört die Einkehr in die Besenwirtschaft zum guten Ton, in der von Maultaschen über Schupfnudeln, Salzfleisch und Schlachtplatte für Gustavo ein wahres Gaumenabenteuer beginnt.

Der Einkauf von Gewändern heut zu Tage auch als Shopping bekannt, ist eine Lieblingsbeschäftigung in der Altersgruppe der Knappen und Jungfern. In Cliquen vereint, pilgern sie gemeinsam zum Ziel ihrer Träume. An den Neckargestaden von Heilbronn fühlt sich Gustavo mit seiner Clique in der Shoppingmeile wohl. Gemeinsam drücken sie ihre Nasen platt, bevor mit Hoffnung auf Gefeilsche umd ein ausgefallenes Gewand der Laden erobert wird.

Der Gastschüleraufenthalt neigt sich dem Ende zu, das Gepäck des inzwischen geadelten Gustavo wird nochmals aufgestockt, kulinarisches aus Hof und Keller sowie Gerauchtes und Trollinger Weine sorgfältig für die Probe zu Hause verpackt und weitere Eroberungsstücke aus Einkaufsschlachten verstaut.

Die Sache scheint gelaufen. Gelaufen? Nicht ganz… noch eine letzte Überraschung erwartet unseren heldenhaften Ritter. Der krönenede Abschluss im Neckarsulmer Brauhaus ist die obligatorische Schweinshaxe in Biersoße, die zum persönlichen Schlachtfeld seines Aufenthaltes im ehemaligen Land der Burgen und Ritter wird.