La vida „Loca“ – swingende Jazzklänge in den Anden (2016)

Veröffentlicht in: Reisebericht, Südamerika | 0

Chile, das „Land mit einer verrückten Geografie“, 4.300 Kilometer lang und im Durchschnitt nur 180 Kilometer breit, mit Meereshöhen von null bis 7.000 Metern, schafft es nur selten in die weltweiten Schlagzeilen. Bei Katastrophen wie das große Erdbeben 2010 oder die verschütteten 33 Bergleute in der Kupfermine von San José. Land und Leute haben sich schnell wieder aufgerappelt und so kam es, dass die Lehrer Big Band Bayern in den Osterferien zu sieben Konzerten und zwei Workshops an Universitäten und Deutschen Schulen in Santiago de Chile, Valparaíso, Concepción und Melipilla eingeladen und die Konzertreise vom Goethe-Institut in München und Santiago unterstützt wurde. Nach 2012 in Brasilien war es die zweite Konzertreise nach Südamerika zusammen mit Schwaben International. Reinhard Sieber und Friedrich Held berichten von ihren einmaligen Erfahrungen.

Am Freitag vor den Osterferien machten sich 25 Mitglieder der Big Band über Frankfurt auf den Weg und landeten nach 16-stündigem Flug mit Zwischenstopp in São Paulo bei herrlicher Sicht während der Andenüberquerung mit Blick auf den Aconcagua, dem höchsten Berg Südamerikas, in Santiago de Chile.

Musik verbindet die Kulturen

Unsere Konzertreihe mit internationalen und deutschen Kompositionen startete mit einem Open-Air-Konzert in Valparaíso – die bunte, mit Graffitis übersäte Stadt am Pazifik und UNESCO-Kulturerbe – im Parque Cultural, einem ehemaligen Gefängnishof. Hier, wie bei allen weiteren Konzerten, waren wir von den hohen Besucherzahlen und der großen Begeisterung positiv überrascht. Besonders gefeiert wurden die chilenischen Jazzmusiker Daniel Freiere (Posaune) und Pablo Vidal (Bass), die als Gastsolisten unsere Auftritte bereicherten. Einmal mehr zeigte sich, dass Musik die universale Weltsprache ist und über nationale und kulturelle Grenzen hinweg Menschen miteinander verbindet.

Überall löste zudem unser musikalisches Gastgeschenk – der vom Trompeter und Organisator Frieder Held eigens für die Reise arrangierte und bei jedem Konzert als Zugabe gespielte chilenische Titel „Loca“ (Verrückt!) von Chico Trujillo – kaum enden wollende Beifallsstürme aus. Die Konzertbesucher fingen wie in den alten Zeiten des Swings zwischen den Sitzplätzen zu tanzen an. In der lokalen Presse wurde die Band gar als beste Big Band Deutschlands gefeiert. Offizieller war das vorletzte Konzert zu den Feierlichkeiten am Colegio Aleman de Santiago „125 Jahre Deutsche Schule Santiago“ mit den Nationalhymnen beider Länder und einer Abordnung der Deutschen Botschaft in Chile. Aber selbst hier wurde am Schluss gesungen und getanzt.

Zwischen den Konzerten und den Proben blieb Zeit, die spanisch geprägte Altstadt von Santiago, das Museum des Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda, den bunten Mercado Central, die Plaza de Armas, den Cerro Cristobal mit der Marienstatue, den Blick auf die eindrucksvoll nahen in den Himmel ragenden Anden, das Ausgehviertel Bellavista und in „Sanhattan“ den höchsten Wolkenkratzer Südamerikas zu bestaunen.

Ausflug in die chilenische Schweiz

Der Route der Panamericana folgte ein Ausflug in den sogenannten „Kleinen Süden“, der Region La Araucanía und dem Seengebiet, schlappe 780 Kilometer mit dem Bus. Fast wie am Bodensee fühlten wir uns in der Stadt Pucón am tiefblauen Villarrica-See. Hier gibt es in sichtbarer Entfernung einen aktiven Vulkan, der ständig brodelt und letztes Jahr Verwüstungen angerichtet hat. Dies hinderte jedoch zwölf Bandmitglieder nicht, den fünfstündigen Aufstieg über bröselige vulkanische Geröllböden und mit Steigeisen, Helm und Schutzkleidung ausgerüstet über Schneefelder zu wagen und dem Villarica auf 3.000 Metern Höhe in den heißen Schlund zu schauen. Er ist einer von nur drei Vulkanen auf der Erde, bei denen man die glühende Lava betrachten kann, vorausgesetzt die nach Schwefel riechenden Dampfschwaden vertreiben einen nicht von der Kraterkante.

Es folgten Auftritte in Concepción, wo uns leider der Zutritt auf das im Salpeterkrieg erbeutete Panzerschiff Huáscar wegen Renovierungsarbeiten nicht möglich war, uns aber schwergewichtige Seelöwen mit Showtalent aus nächster Nähe zum Schmunzeln brachten. Zurück in Santiago bestritten wir noch zwei Konzerte und genossen die letzten Stunden vor der Rückreise. Bis Frankfurt hatten wir viel Zeit, über das Erlebte zu sinnieren. Wir – und der Jazz – haben viele neue Freunde gewonnen. Die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen vor Ort hat uns einfach überwältigt.

Die Lehrer Big Band Bayern bestritt in Chile ihre elfte erfolgreiche Auslandstournee. Der 1993 gegründete Verein hat sich zum Ziel gesetzt, Kunst und Kultur im Bereich der Big-Band-Musik an Schulen zu fördern. Verwirklicht wird dies durch Konzerte und Fortbildungen. Das künstlerische Repertoire reicht von Swing, Bebop, Blues, Balladen, Latin bis hin zu Funk. Nicht nur auf ausländischen Gastspielen, sondern mittlerweile auch auf vier CDs kann man dem breiten Spektrum der Band lauschen.Weitere Informationen gibt es unter www.lbb-bay.de